Stolz und Wehmut nach Rio

Stolz haben der SSV 46 und die Leichtathletik-Abteilung am Mittwoch nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ihren Olympioniken Arthur Abele in Empfang genommen. OB Czisch lobt den Kampfgeist Abeles und sein schwarz-rot-goldenes Schuhwerk („geile.Schuah hent Sie do a“), die Sponsoren freuen sich, dass ihre Unterstützung auf dem „Weg nach Rio“ Früchte getragen hat. Und dennoch schwingt etwas Wehmut mit, denn als Zweiter der Weltrangliste vor den Spielen hatten sich Abele und sein Umfeld mehr ausgerechnet als das „Durchkommen“ mit 8.013 Punkten und Rang 15, hatten sogar mit einer Medaille geliebäugelt. Doch eine Wiederholung der Topleistung von Ratingen ließ der Körper in Rio, geschwächt durch einen Magen-Darm-Infekt, nicht zu.

Es war die Fortsetzung des heftigen Auf und Ab, das die letzten zwei Jahre im Leben des Arthur Abele geprägt hat. Nach langen Jahren der Verletzungen konnte er im März 2015 zum ersten Mal wieder allen seine Fähigkeiten zeigen, wurde Vize-Europameister im Hallensiebenkampf und kratzte am deutschen Rekord. Einen Monat später riss die Achillessehne im Training und Abele aus seinen Olympiaträumen. In Rekordzeit regenerierte die Sehne, und Abele wurde für alle überraschend doch noch zum Rio-Kandidaten. Abele und sein Trainer Christopher Hallmann gingen einen völlig anderen Weg. Auf Trainingslager wurde im Gegensatz zum Rest der Nationalmannschaft völlig verzichtet. Auch weil Abele zuhause bei Söhnchen Jay Travis sein wollte, den Freundin Susann im April zur Welt gebracht hatte. Die väterlichen Glücksgefühle förderten die Leistungsentwicklung des 30-jährigen offensichtlich. Im Mai war er schon wieder super in Form, musste aber nach einem „salto nullo“ im Kugelstoßen beim Meeting in Götzis in die „Verlängerung“. Die besteht er in Ratingen dann mit Bravour und Weltbestleistung von 8.605 Punkten. Dass die Hoffnungen und Erwartungen für Rio danach möglicherweise die verbliebenen Kraftreserven überstiegen, ist nur zu verständlich.

Das Highlight war schon die Qualifikation

Das war der Traum der Ulmer Zehnkämpfer: Einer sollte es nach Rio schaffen. Das sollte eine Saison krönen, die mit der Bronzemedaille bei der Hallen-WM durch Mathias Brugger und der EM-Teilnahme von Brugger und Tim Nowak schon reichlich Höhepunkte aufwies. 13 Monate nach seinem Achillessehnen-Riss konnte Arthur Abele durch die hervorragende Betreuung durch das medizinische Team um Orthopäde Christoph Buck beim Meeting in Götzis zur ersten Olympia-Qualifikation antreten – und verließ das Mösle-Stadion nach drei ungültigen Versuchen im Kugelstoßen frühzeitig und frustriert. Zittern und Bangen bis zum Meeting in Ratingen als letzter Chance war angesagt. Doch dort erlebte man einen „unfassbaren“ Arthur Abele:

Als er die letzten Meter seines 1.500 m-Rennens zur Olympia-Quali und zur Weltjahresbestleistung von 8.605 Punkten zurücklegte, konnte nicht nur Abele die Tränen nicht mehr zurückhalten. Auch Abteilungsleiter Wolfgang Beck war im heimischen Wohnzimmer vor dem PC den Tränen nahe. Auf die Reise nach Ratingen hatte er verzichtet, um bei einer SSV-Großveranstaltung im Donaustadion zu helfen. Jetzt konnte Beck zuhause die Erfüllung seines Traumes am Liveticker mitverfolgen, den er vor vier Jahren sehr mutig mit „Der Weg nach Rio“ formuliert und diesen Weg mit Hilfe zahlreicher Sponsoren, wie der Sparkasse, Ratiopharm, Fritz & Macziol, Casa Nova, SWU, Opus DC, Orange Global und Sport Sohn, geebnet hatte. Kurz darauf war auch schon die Reise nach Rio mit Frau Christiane gebucht.

Ungünstige Vorzeichen in Rio

In Rio begann der Zehnkampf schon unter ungünstigen Vorzeichen. Nicht nur, dass der Qualifikationszehnkampf von Ratingen und der Rummel danach sehr viel Energie gekostet hatten. Nach einem guten Abschluss der Vorbereitung am Bundesstützpunkt Kienbaum spürte Abele schon kurz nach der Ankunft in Rio, dass der Körper nicht so wollte wie er. Ein Magen-Darm-Infekt tat sein übriges. Um das zu überspielen, hätte eines schon eines fantastischen Starts bedurft. Doch nach ordentlichen 10,87 Sekunden über 100 m waren die ersten beiden Weitsprung-Versuche ungültig und der letzte weit vor dem Brett, so dass nur 6,97 m ins Protokoll eingingen. Das Medaillenziel war damit bereits unerreichbar. Und schon beim Kugelstoßen merkte Abele, dass er dieses Mal nicht die letzten Reserven mobilisieren können würde. Unter diesen Umständen schlug er sich bis zur siebten Disziplin, dem Diskuswerfen, noch sehr gut. Danach musste er mit Krämpfen im Stabhochsprung schon nach der Anfangshöhe von 4,50 m abbrechen und schleppte sich nur noch durch den Speerwurf und den „schlechtesten 1.500 m-Lauf meines Lebens“. Aufgeben wollte er nach dem vorzeitigen Abbruch 2008 in Peking nicht noch einmal.

Aufgeben passt auch nicht zu Arthur Abele! Das zeigt schon sein ganzes Sportlerleben und das zeichnet den mittlerweile 30-jährigen mehr als jeden anderen aus. So richtete er auch beim Empfang in den Räumlichkeiten der Sparkasse seinen Blick bereits wieder nach vorn: Das Heimspiel bei der EM 2018 in Berlin will er noch mitmachen, und die WM in London nächstes Jahr wird auch ein „geiles Ding“. Ob es für für ihn für Tokio 2020 noch reicht, konnte er natürlich noch nicht sagen, aber schon allein für seine Trainingsgruppe mit Mathias Brugger, Manuel Eitel, Tim Nowak oder Maximilian Vollmer bat er die Sponsoren eindringlich, mit ihrer Unterstützung fortzufahren. „Da kommt noch was, wir sind die stärkste Trainingsgruppe der Welt!“